Das Thema
Vieles deutet als Ergebnis der Bundestagswahl 2017 auf ein Regierungsbündnis aus Union, FDP und Bündnis90/Die Grünen hin – die sogenannte “Jamaika-Koalition“. Derzeit wird diskutiert, wie „Jamaika“ mit Blick auf einen Koalitionsvertrag in diversen Themenbereichen einen gemeinsamen Nenner finden kann, denken wir nur an die Klima-, Energie- und Europapolitik.
Was aber wollen die Parteien einer solchen Koalition im Arbeitsrecht? Wo bestehen Übereinstimmungen, wo droht Streit? Ausgehend von den Wahlprogrammen ein erster Überblick zum Arbeitsrecht unter „Jamaika“.
Mindestlohn
FDP und Union wollen beim Mindestlohn weniger “Papierkrieg” und Unternehmen von Dokumentationspflichten entlasten. Viele Regelungen seien zu bürokratisch und wenig alltagstauglich, heißt es im Wahlprogramm der Union. Dies beträfe insbesondere die Landwirtschaft und die Gastronomie aber auch „weitere Betriebe“.
Bündnis90/Die Grünen fordern mehr branchenspezifische Lohnuntergrenzen oberhalb des Mindestlohns, damit der unternehmerische Konkurrenzkampf nicht zulasten der Beschäftigten geht. Der Schutz vor Lohndumping, fairer Wettbewerb und Beschäftigungssicherung müsse bei der Ermittlung der Höhe eine Rolle spielen. Zudem soll die Wissenschaft in der Mindestlohnkommission ein Stimmrecht erhalten.
Arbeitszeit (allgemein)
Die Union will „das Arbeitszeitrecht so modernisieren, dass die Tarifpartner zusätzliche Spielräume zur Flexibilisierung, wie sie die europäische Arbeitszeitrichtlinie eröffnet, im Rahmen von Tarifverträgen nutzen können.“ Die Gesamt-Wochenarbeitszeit soll dadurch aber nicht erhöht werden.
Auch die FDP will nach ihrem Wahlprogramm „das Arbeitszeitgesetz flexibilisieren, indem die bisherige Grenze der täglichen Höchstarbeitszeit von acht beziehungsweise zehn Stunden sowie in den nicht sicherheitsrelevanten Bereichen die elfstündige Ruhezeit aufgehoben wird. Stattdessen soll nur die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden festgeschrieben sein, so, wie es auch die Europäische Arbeitszeitrichtlinie vorsieht.“
Bündnis90/Die Grünen fordern mehr Mitspracherecht der Arbeitnehmer „über den Umfang, die Lage und den Ort ihrer Arbeit. Durch Wahlarbeitszeiten zwischen 30 und 40 Wochenstunden wollen“ sie „Vollzeit neu definieren und zu einem flexiblen Arbeitszeitkorridor umgestalten.“ Innerhalb dieses Stundenkorridors sollen „Beschäftigte ihren Arbeitszeitumfang frei bestimmen können. Um Beschäftigten wie Unternehmen Planungssicherheit zu geben, müssen dabei“ nach Auffassung der Grünen „Ankündigungsfristen eingehalten werden. Nur dringende betriebliche Gründe sollen die Anpassung der Stundenzahl verhindern können.“ Gleichzeitig will die Partei „einen verbindlichen Flexibilitätszuschlag für alle, die an Sonn- oder Feiertagen arbeiten müssen. Dieser soll im Rahmen der bestehenden Zuschlagsregelungen steuer- und sozialabgabenfrei sein.“
Arbeitszeit (Langzeitkonten)
Die FDP will „Langzeitkonten für Arbeitszeit fördern, um mehr Souveränität in der beruflichen Lebensgestaltung zu ermöglichen.“ Und sie beschäftigt sich ausführlich mit diesem Thema: „Das Langzeitkonto soll unabhängig vom Arbeitgeber werden, damit einfacher als heute übertragbar sein und das Guthaben für alle Formen der Freistellungen genutzt werden können. Bestehende Einschränkungen, etwa in der Kombination mit Elterngeld, sollen beseitigt werden. Seitens der Unternehmen brauchen wir“ nach Meinung der Liberalen „Bürokratieabbau und Vereinfachungen in der Durchführung, etwa bei Berichtspflichten und der Entstehung von Urlaubsansprüchen während der Auszeiten. Zudem sollte es mehr Freiheiten bei der Kapitalanlage geben.“
Auch die Grünen wollen laut eigenem Wahlprogramm mit Arbeitszeitkonten arbeiten, kommen aber aus einer anderen Richtung: „Arbeit auf Abruf soll nicht mehr möglich sein, wenn die Tätigkeiten mit normalen Arbeitsverhältnissen erledigt werden können, etwa über die Nutzung von Arbeitszeitkonten.“ Die Union erwähnt das Thema in ihrem Wahlprogramm nicht.
Digitalisierung
Bei diesem wichtigen Thema pochen die Grünen vor allem auf „einen zeitgemäßen Arbeitsschutz sowie einen wirksamen Beschäftigtendatenschutz. In den Unternehmen ist Kreativität gefragt, damit die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt mit den Bedürfnissen der Beschäftigten besser in Einklang gebracht werden.“
Die FDP wird etwas konkreter: Gesetzliche Regelungen und faktische Hürden für mobiles Arbeiten, etwa durch veraltete Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung, hält die Partei nicht für sinnvoll. Den Arbeitsschutz für Homeoffice-Arbeitsplätze müsse man „entbürokratisieren“. Projektorientiertes Arbeiten „stelle bisherige Regelungen des Arbeitsrechtes infrage und hoch qualifizierte, mobile Menschen wünschen immer häufiger freie Formen der Arbeitsgestaltung. Die Politik muss diesen Trends nach den Vorstellungen der Liberalen „folgen und darf nicht mit immer mehr einschränkenden Vorgaben in die Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgeber und -nehmer eingreifen.“
Die Union bleibt sehr allgemein: „Wir werden dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für den Industriestandort Deutschland auch künftig gut sind“, heißt es in deren Wahlprogramm.
Tarif- und Sozialpartnerschaft
Die Union will „gesetzliche Regelungen so ausgestalten, dass zusätzliche Flexibilität, Spielräume und Experimentierräume für Unternehmen entstehen, für die ein Tarifvertrag gilt oder angewendet wird, oder eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat erfolgt.“ Zugleich heißt es im Wahlprogramm, dass die Union „die Tarifautonomie, die Tarifpartnerschaft und die Tarifbindung deshalb“ stärken will.
Die Grünen wollen „Tarifverträge leichter allgemein verbindlich machen“. Die FDP hält sich mit konkreten Aussagen bei diesem Thema zurück.
Was kommt noch im Arbeitsrecht?
Welches der Themen es in welcher Form in einen etwaigen Koalitionsvertrag schafft – und welches Thema vor allem nicht – ist derzeit unklar.