Das Thema
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 06. Juli 2017 in Kraft und seit dem 06. Januar 2018 „scharf geschaltet“. Seit diesem Zeitpunkt können Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten Auskunft über die Zusammensetzung ihres Entgelts verlangen. Die erfolgreiche Geltendmachung des Auskunftsanspruchs auf dem Weg zur Entgeltgleichheit ist mit einer Vielzahl von Fallstricken verbunden. Diese zeigen sich insbesondere bei der Klärung des Betriebsbegriffs in Unternehmen mit Filialstrukturen.
Reichweite des Auskunftsanspruchs nach dem Entgelttransparenzgesetz
Der individuelle Auskunftsanspruch besteht nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber, §§ 10, 12 Abs. 1 EntgTranspG. Diese Grenze von 200 Beschäftigten wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mit aufgenommen. Das Gesetz verwendet drei für die Auskunftserteilung wesentliche Begriffe, die bereits aus anderen Gesetzen bekannt sind: „Beschäftigte“, „Betrieb“ und „Arbeitgeber“. Während die Begriffe des „Beschäftigten“, des „Arbeitgebers“ und des „Entgelts“ im Sinne des EntgTranspG definiert sind (§ 5), fehlt eine Definition des Betriebsbegriffs.
Der Arbeitgeber im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/11133, S. 55) richtet sich der Begriff des „Arbeitgebers“ nach der Definition des Arbeitgebers iSd § 6 Abs. 2 AGG mit Ausnahme des Anwendungsfalls der Arbeitnehmerüberlassung. Danach sind Arbeitgeber „alle natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften“. Der Begriff des Arbeitgebers ist für den Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG von hoher Relevanz. Dieser muss sich gegen „denselben“ Arbeitgeber richten, bei dem in der Regel mehr als 200 Beschäftigte tätig sein müssen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Beschäftigten in Gemeinschaftsbetrieben mehrerer Arbeitgeber nicht zusammengerechnet werden können.
Betriebsbegriff im Entgelttransparenzgesetz: Fehlanzeige
Der Begriff des „Betriebs“ wird weder im EntgTranspG legaldefiniert noch in der Gesetzbegründung näher bestimmt. Der Gesetzgeber knüpft vielmehr daran an, dass der Beschäftigte seinen Auskunftsanspruch an den Betriebsrat richten könne und „die Beschäftigtengrenze von 200 Beschäftigten in konsistenter Weise an die maßgebliche Beschäftigtenzahl für das Einblicksrecht des Betriebsausschusses in die Listen über die Bruttolöhne und –gehälter nach § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BetrVG anknüpfe“.
Aufgrund dieser strukturellen Nähe des EntgTranspG zum BetrVG wird in der Literatur vertreten, den Betriebsbegriff des BetrVG zugrunde zu legen (ErfK/Schlachter, EntgTranspG, § 12, Rn. 1). Folgt man dieser Auffassung, ist der Begriff des „Betriebs“ iSd § 12 Abs. 1 EntgTranspG wie folgt zu definieren: Ein Betrieb ist „die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt“ (BAG, Beschl. v. 31.05.2000, 7 ABR 78/98). Der Gesetzessystematik lässt sich zudem entnehmen, dass der Auskunftsanspruch unabhängig davon ist, ob in dem Betrieb auch ein Betriebsrat gegründet worden ist, §§ 14 Abs. 3, 15 Abs. 2 EntgTranspG.
Was folgt hieraus für den Auskunftsanspruch in Filialstrukturen?
Beispiel 1:
Der Arbeitgeber (das Unternehmen) hat insgesamt 250 Beschäftigte, davon 220 im Betrieb in Düsseldorf und 30 im Betrieb in Köln. Beide Betriebe sind organisatorisch und in personellen und sozialen Angelegenheiten verselbständigt.
Bei Anwendung des Betriebsbegriffs nach dem BetrVG hat dies zur Konsequenz, dass jeweils ein Betrieb in Düsseldorf und Betrieb in Köln besteht. Legt man § 12 Abs. 1 EntgTranspG nun so aus, dass in dem jeweiligen Betrieb mehr als 200 Beschäftigte desselben Arbeitgebers beschäftigt sein müssen, können nur die Beschäftigten in Düsseldorf den Auskunftsanspruch geltend machen. Für diese Auffassung spricht der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Ziffer 1 EntgTranspG, nach dem nur Entgeltregelungen umfasst werden, die in demselben Betrieb und bei demselben Arbeitgeber angewendet werden (ErfK/Schlachter, EntgTranspG, § 12, Rn. 2). Wären in dem Betrieb in Düsseldorf und dem in Köln nur jeweils 125 Beschäftigte tätig, könnte keiner der Beschäftigten den Auskunftsanspruch geltend machen, auch wenn in dem Unternehmen insgesamt mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt werden.
Beispiel 2:
Der Arbeitgeber (das Unternehmen) betreibt eine Filialstruktur. Die Zentrale mit mehr als 200 Beschäftigten hat ihren Sitz in Düsseldorf, die einzelnen Filialen mit teilweise weniger als 200 Beschäftigten sind über das Bundesgebiet verteilt.
Welche Beschäftigten in dieser Filialstruktur einen Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG haben, hängt davon ab, ob es sich bei der Filiale um einen dem Hauptbetrieb zuzuordnenden unselbständigen oder selbständigen Betriebsteil iSd § 4 BetrVG handelt, der selbst eine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt. Danach gelten Betriebsteile als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllen und räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation getrennt sind. Das Bundesarbeitsgericht differenziert hierbei nach dem Grad der Verselbständigung, der im Wesentlichen im Umfang der Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten zum Ausdruck kommt (Beschl. v. 07.05.2008, 7 ABR 15/07). Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSd § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG soll bereits ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb ausreichend sein. Im Einzelnen ist hierbei freilich vieles umstritten und unterliegt einer umfangreichen Kasuistik. Sehr verkürzt zusammengefasst kommt es auf die genaue Filial- und Organisationsstruktur an, um überhaupt bestimmen zu können, was der Hauptbetrieb ist und ob die Filiale hiervon verselbständigt ist. Gibt es zwischen den einzelnen Filialen überhaupt keine organisatorische Zusammenfassung, kann jede einzelne Filiale einen Betrieb darstellen. Dieser müsste dann wiederum für sich betrachtet den Schwellenwert von 200 Beschäftigten übersteigen, damit ein Beschäftigter einen Auskunftsanspruch nach stellen kann.
Beispiel 3:
Der Arbeitgeber (das Unternehmen) betreibt Filialen mit einer über das Bundesgebiet verteilten Regionalstruktur. Sowohl in der Zentrale als auch in den Filialen sind jeweils deutlich weniger als 200 Mitarbeiter beschäftigt. Für die einzelnen Regionen sind gewillkürte betriebsverfassungsrechtliche Strukturen nach § 3 BetrVG gebildet, die teilweise den Schwellenwert von 200 Beschäftigten erreichen.
Unter Zugrundelegung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff gelten die in den Regionen gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als ein Betrieb, § 3 Abs. 5 BetrVG. Dies hätte zur Konsequenz, dass ein Beschäftigter einen Auskunftsanspruch auch dann geltend machen kann, wenn in „seiner“ Filiale (Betrieb iSd EntgTranspG) eigentlich weniger als 200 Mitarbeiter beschäftigt sind. Hiergegen spricht, dass sich die gesetzliche Fiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG allein auf den Anwendungsbereich des BetrVG beschränkt (so zu § 3 Abs. 5 BetrVG die einhellige Meinung in der Literatur; vgl. nur Richardi, BetrVG, § 3, Rn. 68, Fitting, BetrVG, § 3, Rn. 76 mwN). Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass ein Auskunftsanspruch auch in gewillkürten betriebsverfassungsrechtlichen Betrieben nur nach den zu Beispiel 2 entwickelten Grundsätzen besteht.
Weitere Einschränkung des Auskunftsanspruch
Selbst wenn der Beschäftigte in einer Filiale (einem Betrieb) beschäftigt ist, der den Schwellenwert erreicht, umfasst die Auskunftspflicht des Arbeitgebers keine für die regional unterschiedlichen Entgeltstrukturen, § 12 Abs. 2 Nr. 2 EntgTranspG. Was unter dem Begriff der „Region“ zu verstehen ist, ist ebenfalls nicht legal definiert, erlangt für Filialstrukturen aber erhebliche Bedeutung. Dies gilt insbesondere für solche Filialstrukturen, die nach Regionen aufgeteilt sind. Kann diese von dem Arbeitgeber selbst getroffene regionale Aufteilung dann auch auf den Auskunftsanspruch durchschlagen?
Die Rechtsprechung wird’s richten – wirklich?
Für den Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG in Filialstrukturen können sich Arbeitgeber die aus dem Betriebsverfassungsrecht entwickelten Grundsätze zu eigen machen. Allerdings bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte die unbestimmten Rechtsbegriffe des EntgTranspG unter Berücksichtigung europarechtlicher Erwägungen auslegen. Das EntgTranspG geht auf die Richtlinie 2006/54/EG zurück. Das in dieser Richtlinie (Art. 4) enthaltene Diskriminierungsverbot macht nicht am Betrieb des Arbeitgebers halt, sondern sieht den Arbeitgeber als „einheitliche Quelle“ in der Verantwortung geschlechtsspezifische Entgeltungleichbehandlungen zu beseitigen.
Soweit Beschäftigte mangels Erreichens des Schwellenwerts keinen Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG geltend machen können, bedeutet dies aber noch keine Entwarnung für Arbeitgeber. Das EntgTranspG regelt allein den individuellen Auskunftsanspruch sowie die betrieblichen Prüfverfahren zur Entgeltgleichheit. Sonstige Benachteiligungsverbote bleiben unberührt, insb. solche nach dem AGG.
Der Nachweis einer geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung ist für diese Beschäftigten allerdings deutlich schwerer zu führen, wenn ihnen der Auskunftsanspruch nicht zur Verfügung steht. Sie sind beweispflichtig und müssen in einem gerichtlichen Verfahren auf Entschädigung nach dem AGG wegen einer geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung Indizien vortragen, die eine solche Benachteiligung vermuten lassen, § 22 AGG. Dieser Nachweis ist in der Praxis kaum zu führen (vgl. zuletzt LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.03.2017, 5 Sa 454/15).

Partner, vangard Arbeitsrecht
(Büro Düsseldorf)
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