Das Thema
Der Gesetzgeber hat mit zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen auf die Corona-Epidemie reagiert und dabei auf eine möglichst unbürokratische Unterstützung der deutschen Wirtschaft gesetzt.
Dies schafft auch für lautere Wirtschaftsteilnehmer Strafverfolgungsrisiken, die – mit zeitlicher Verzögerung – zu einem bösen Erwachen führen können.
Sonderregelungen während der Corona-Lage: Nachlässigkeiten führen zu strafrechtlichen Ermittlungen
Die Schaffung zahlreicher Sonderregelungen für die Corona-Krise, die Bereitstellung von Geldern für Unternehmen, die unverschuldet in die Krise geraten sind, sowie eine schnelle Bearbeitung von Anträgen durch die Behörden, ist grundsätzlich zu begrüßen. Diese Flexibilität birgt indes Gefahren und entbindet Unternehmen nicht von einer gewissenhaften Prüfung, wenn sie staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollen. Selbst leichtfertige Verstöße können dazu führen, dass strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden und die Verantwortlichen für etwas zur Verantwortung gezogen werden, was weder einer böswilligen Intention noch einem wohlkalkulierten Plan entspringt.
Es ist bereits in „normalen“ Zeiten ein weiterverbreiteter Irrglaube, dass das (Wirtschafts-) Strafrecht nur diejenigen in den Blick nimmt, die mit besonderer krimineller Energie die Kassen von Staat oder Geschäftspartnern plündern. Eine Vielzahl von Strafverfahren ist allerdings eher auf Nachlässigkeiten, unternehmerischen Optimismus und unzureichende Dokumentation zurückzuführen, die aus der stets mit Rückschaufehlern behafteten Perspektive der Ermittlungsbehörden als bedingter Vorsatz (um-) gedeutet werden.
Hinzukommt, dass für die Behörden diverse Anreize – rechtlicher (vgl. z.B. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV) und taktischer Natur –bestehen, zum Eintreiben von Steuern und Beiträgen die Karte des vorsätzlichen Handelns zu spielen. Es erscheint insofern äußerst wahrscheinlich, dass dem derzeitigen Corona-Beben noch strafrechtliche Nachbeben folgen werden.
Risiken beim Kurzarbeitergeld und Subventionsbetrug
Eine aus strafrechtlicher Sicht besonders sensible Angelegenheit stellt das Kurzarbeitergeld dar, wie es nunmehr durch das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld (BGBl. I 2020, 493) sowie die Verordnung über die Erleichterung der Kurzarbeit (KugV) im Hinblick auf die Corona-Krise ausgestaltet worden ist (s. dazu Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 409).
Die neuen Regelungen erleichtern den Bezug von Kurzarbeitergeld und stellen eine mittelbare Förderung des Unternehmens dar. Darüber hinaus ist in § 2 Abs. 1 KugV i.V.m. § 109 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 SGB III eine Erstattung der vom Arbeitgeber „allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung“ vorgesehen. Insoweit kann auch eine unmittelbare finanzielle Unterstützung eines Betriebes erfolgen. Dies hat Konsequenzen für die strafrechtliche Bewertung:
Trotz verbleibender rechtlicher Unklarheiten besteht die Gefahr, dass die Anzeige eines Arbeitsausfalls nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB III sowie der Antrag auf Erstattung nach § 2 Abs. 1 KugV als Subventionsantragstellung im Sinne des § 264 StGB (Subventionsbetrug) angesehen wird (s. allg. auch BGH NJW 0214, 3114). Dies ist deswegen besonders heikel, weil der Tatbestand neben dem vorsätzlichen Handeln – bei dem auch die Voraussetzungen des § 263 StGB erfüllt sein können – in § 264 Abs .5 StGB auch die leichtfertige Begehung unter Strafe stellt.
Da die Abgrenzung zwischen Leichtfertigkeit und einfacher Fahrlässigkeit regelmäßig besonderer Aufklärung bedarf, ist ein Anfangsverdacht eines Subventionsbetrugs in der Praxis schnell bejaht und Ermittlungen werden eingeleitet. Damit können und werden auch Unternehmen in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gelangen, die sich eigentlich rechtstreu verhalten wollen, die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld aber nicht ausreichend ermittelt oder – faktisch ebenso problematisch – nicht so dokumentiert haben, dass dies auch Jahre später noch nachvollziehbar ist. Eine unzureichende Dokumention ist zwar per se nicht strafbar, kann aber im Verdachtsfall Probleme bereiten.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass auch das in Unkenntnis lassen über subventionserhebliche Tatsachen nach § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar sein kann. Hierbei handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 11.6.2010, 1 Ss 338/09). Ein Subventionsnehmer hat daher eine Pflicht über für ihn nachteilhafte subventionserhebliche Tatsachen Mitteilung zu machen. Der Straftatbestand betrifft daher nicht nur den Zeitpunkt der Antragstellung. Gerade bei der durch chaotische Zustände und sich schleichend verändernde Umstände geprägten Corona-Krise, kann das Kurzarbeitergeld schnell zu einem strafrechtlichen Problem werden.
Weitere Gefahren: Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Risiken
Das Kurzarbeitergeld ist indes nicht der einzige Gefahrenherd. Auch wenn die derzeitige Krise durch einen flexiblen Ansatz und Entgegenkommen der Behörden und Versicherungen geprägt ist, darf nicht übersehen werden, dass die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten nach wie vor fortbestehen. Hier gilt ganz allgemein: Das Nichtabführen von Lohnsteuern kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen (§ 380 AO). Bei Sozialversicherungsbeiträgen kann im Einzelfall sogar der Straftatbestand des § 266a StGB erfüllt sein.
Es bedarf der genauen Prüfung und regelmäßigen Kontrolle, ob Steuern oder Beiträge ordnungsgemäß deklariert und abgeführt oder ausnahmsweise gestundet wurden. Erfahrungsgemäß werden insoweit geringfügige Versäumnisse toleriert. Bei größeren Summen, wiederholten oder längeren Verzögerungen ist allerdings mit der Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu rechnen.
Bei unternehmerischer Schieflage ist Vorsicht beim Einsatz von Dienstleistern geboten
Sofern sich ein Unternehmen in der Corona-Zeit in einer schwerwiegenderen Krise befindet, kann auch beim Einsatz von externen (Personal-)Dienstleistern Ungemach drohen.
Sofern Geschäftspartner in Vorleistung treten, bedarf es bei kriselnden Unternehmen stets einer gewissenhaften Prüfung, ob die eigene Gegenleistung im Zeitpunkt der Fälligkeit wird erbracht werden können. Zwar hat der Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht in Corona-bedingten Problemlagen eingeschränkt – nicht aber ausgeschlossen – und im Hinblick auf Altforderungen ein teilweises Moratorium beschlossen (vgl. Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht v. 27. März 2020). Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Abschluss von Neuverträgen unter gewissen Umständen allerdings als Eingehungsbetrug zu bewerten sein, wenn der Handelnden billigend in Kauf nimmt, im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht die geschuldete Leistung erbringen zu können (vgl. u.a. OLG Koblenz, Beschluss vom 03. März 2005 – 1 Ss 43/05).
In einer unternehmerischen Schieflage ist daher besondere Vorsicht geboten.
Homeoffice: Scheinselbstständigkeit und Geheimnisschutz als Mienenfelder
Der Fremdpersonaleinsatz kann auch in einer anderen Fallkonstellation Schwierigkeiten bedeuten. So stellt die Problematik der Scheinselbstständigkeit einen der zentralen Anwendungsbereiche des § 266a StGB dar und ist ein Dauerbrenner bei den Ermittlungen des Zoll. Hierbei wird häufig überprüft, ob ein Selbstständiger – gleich einem Arbeitnehmer – in die Abläufe des Betriebes integriert ist. Dafür ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Arbeitet der Selbständige nicht vor Ort und nimmt nicht an Teambesprechungen teil, ist dies regelmäßig ein plastisches Argument, welches gegen eine Scheinselbständigkeit ins Feld geführt werden kann.
Befindet sich nun aber ein Großteil des Teams im Homeoffice, können die Grenzen zwischen Angestelltentätigkeit und selbstständiger Arbeit leicht verschwimmen. Auch hier gilt nämlich: Scheinselbstständigkeit ist oft kein Problem des Plans, sondern der Gewohnheit und längerfristigen Entwicklung. Dies gilt es bei der alltäglichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit Fremdpersonal zu berücksichtigen.
Das Thema Homeoffice erfordert insbesondere bei sich abzeichnenden Konflikten mit einzelnen Mitarbeitern, die in Krisenzeiten wahrlich kaum vermeidbar sind, das notwendige Fingerspitzengefühl. Dabei sollte eine Thematik nicht aus dem Blick geraten. Auch – oder gerade – in Krisenzeiten bedürfen Betriebsinterna eines angemessenen Schutzes. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen die zum Schutz des Geschäftsinhabers vorgesehen Vorschriften des Geschäftsgeheimnisgesetz nicht greifen, § 2 Nr. 1 b) GeschGehG.
Insbesondere sollte dabei Zugriffsrechte auf die IT geregelt und ggfs. angepasst werden, um die Weitergabe von Geheimnissen an die Konkurrenz zu unterbinden und im worst case auf den Schutz durch die Ermittlungsbehörden zurückgreifen zu können.
Effektive Compliance gerade in Krisenzeiten relevant
Unternehmen sollten auch in der aktuellen Krise ein Augenmerk auf effektive Compliance-Maßnahmen richten. So droht neben der strafrechtlichen Ahndung von Verstößen Einzelner auch eine Sanktionierung des Unternehmens nach §§ 30, 130 OWiG bzw. ein Bußgeld gegen Führungskräfte, die gegen ihre Aufsichtspflichten verstoßen. Dies gilt es zu vermeiden.
Dabei gilt: Ein effektives (Criminal-)Compliance-System muss heutzutage mehr leisten als die Verhinderung von Straftaten. Angesichts der finanziellen Konsequenzen und Reputationsrisiken strafrechtlicher Ermittlungen ist es ebenso wichtig, dass bereits die Entstehung einer strafrechtlichen Verdachtslage verhindert wird. In der wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis ist es vor allem der Graubereich, der Unternehmen und ihrer Leitungsebene zu schaffen macht.