Das Thema
Endlich – vorbehaltlich der Zustimmung der SPD-Basis – ist ein Koalitionsvertrag zwischen CDU,CSU und SPD zustande gekommen. Auf Grundlage des Vertragsstandes vom 7. Februar 2018 (11.45 Uhr) hat der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V. (BVAU) die wichtigsten arbeitsrechtlichen Vorhaben und Ansätze destilliert.
Der Gesamttext des Koalitionsvertrages mit dem o.g. Stand ist ebenfalls auf der Verbandswebseite abrufbar. Das BMAS soll zudem infolge der Presseberichterstattung über die Ressortverteilung unter den Vertragspartnern in der Hand der SPD bleiben.
Die genannten arbeitsrechtlichen Vorhaben sowie deren Umsetzung werden uns sicherlich in den nächsten Monaten auch hier im EFAR beschäftigen.
Streitpunkt sachgrundlose Befristung
Bis zuletzt war u.a. die sachgrundlose Befristung ein großer Streitpunkt unter den alten und neuen Koalitionären. Ersten Pressemitteilungen zufolge soll die gefundene Einigung im KV wie folgt umgesetzt werden: Zur Einschränkung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen soll deren Dauer gesetzlich auf 18 statt bisher 24 Monate begrenzt werden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch aus Verhandlungskreisen. Bis zu dieser Gesamtdauer sei auch nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich. Abhängig von der Unternehmensgröße solle zudem nur noch eine bestimmte Anzahl von Befristungen gestattet sein. Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten dürften nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen, so auch Spiegel Online.
Die Regelung soll auch für Leiharbeiter in befristeten Arbeitsverhältnissen gelten. So sollen in Zukunft „auch eine oder mehrere vorherige Entleihung(en) des […] befristet eingestellten Arbeitnehmers durch […] Verleihunternehmen angerechnet“ werden. „Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ist erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich.“
Eine sehr lesenswerte Kommentierung zum Verhandlungsergebnis hinsichtlich der Einschränkung von befristeten Arbeitsverträgen nimmt Prof. Dr. Stefan Sell vor; er spricht von Kommissionitis als Lösungshilfe und sieht nun auch Obergrenzen nun auch im Arbeitsrecht.
Aus der arbeitsrechtlichen Blogosphäre zum Thema
Aufgrund der Wichtigkeit des Themas lassen weitere Aufarbeitungen des arbeitsrechtlichen Inhalts des neuen Koalitionsvertrages und erste Bewertungen der getroffenen Vereinbarungen nicht lange auf sich warten.
Unter der Überschrift “„Habemus Koalitionsvertrag!“ – Und was steht da zum Arbeitsrecht drin?“” bereitet Rechtsanwalt Lars Christian Möller im Blog Arbeitsrecht.Weltweit von KLIEMT.Arbeitsrecht die arbeitsrechtlichen Inhalte auf. Vor allem im Vergleich zu den vorausgegangenen Sondierungen hebt er die neue Ankündigung hervor, sich bei grenzüberschreitenden Sitzverlagerungen von Gesellschaften für die Sicherung der nationalen Vorschriften über die Mitbestimmung einsetzen zu wollen. Unklar bleibt seiner Meinung nach, was sich hinter der Stärkung des allgemeinen Initiativrechts der Betriebsräte für Weiterbildung verbergen wird. Neu sei insoweit jedenfalls die Möglichkeit für die Betriebsparteien, bei Nichteinigung einen (dem Arbeitsrecht begrifflich fremden) „Moderator“ hinzuziehen zu können; ein Einigungszwang soll allerdings nicht bestehen. Und schließlich wurde im Vergleich zum Sondierungsergebnis der Zeitpunkt für eine Evaluierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes von 2019 auf 2020 verschoben. Mithin ein weiteres Jahr – so der Autor – in dem die Praxis insbesondere mit den praxisuntauglichen Regelungen zur Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers umzugehen haben wird.
Auch im “Rechtsboard” des Handelsblattes findet sich eine erste Würdigung der Verhandlungsergebnisse im Arbeitsrecht: Die SPD habe zwar die in ihrem Wahlprogramm angekündigte Abschaffung der sachgrundlosen Befristung nicht durchsetzen können. Allerdings hat sie in den Verhandlungen deutliche Einschränkungen im Befristungsrecht erreicht, meint dort Rechtsanwalt Dr. André Zimmermann, was sich nach den Ergebnissen der Sondierungsgespräche noch nicht abgezeichnet hatte. Unternehmen werden sich, so der Autor weiter “darauf einstellen müssen, dass ihnen eines der wenigen Flexibilisierungs-Tools, die das deutsche Arbeitsrecht bietet, bald nicht mehr zur Verfügung stehen wird.”
Im ArbRB-Blog findet sich ein zusammenfassender Überblick zu allen wichtigen arbeitsrechtlichen Punkte genauso wie beim Team von michels.pmks; eine weitere Übersicht findet sich im Unternehmerblog von Hogan Lovells, wobei die einzelnen Schwerpunktthemen in einem Newsflash ausführlich dargestellt und mit Erstbewertungen versehen wurden. Auch der Blog von CMS Hasche Sigle hat die arbeitsrechtlichen Inhalte des Koalitionsvertrages zunächst geordnet und zusammengefasst.
Stellungnahmen der HR-Verbände und der Wirtschaft
Auch die Verbände aus dem Personalwesen haben kurzfristig das Verhandlungsergebnis der neuen alten Großen Koalition kommentiert: Der Koalitionsvertrag trägt in den HR-relevanten Fragen eine in weiten Teilen sozialdemokratische Handschrift, ist aber gleichzeitig durch Kompromisslösungen zwischen den Partnern geprägt. An den Beispielen der sachgrundlosen Befristung und dem Rückkehrrecht in Vollzeit zeige sich dies exemplarisch, kommentiert die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP).
Auch der Bundesverband der Personalmanager (BPM) legt eine Erstbewertung vor und meint, das Verhandlungsergebnis hätte in einigen Punkten noch – aus Sicht der HR-Praxis – “besser” ausfallen können.
Weitere Stimmen aus der Wirtschaft zum Koalitionsvertrag hat zudem die Online-Redaktion von Haufe zusammengetragen.