Das Thema
Seit der Bundestagswahl sind nunmehr bereits knapp 6 Wochen vergangen. Nachdem die SPD unmittelbar nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen erklärt hatte, sich nicht erneut an einer Regierung in einer Großen Koalition mit der CDU zu beteiligen, sind die Optionen für die Regierungsbildung sehr beschränkt und schwierig. Blendet man die Parteien am linken (Die Linken) und rechten Flügelrand (AFD) des Parteienspektrums aus verbleibt angesichts der Mehrheitsverhältnisse allein eine Koalition zwischen der CDU/CSU, der FDP und Bündnis90/DenGrünen als mehrheitsfähig – die so genannte Jamaika-Koalition.
Allerdings trennten diese Parteien in vielen Punkten durchaus sehr grundsätzliche Fragen. Wir haben bereits an gleicher Stelle die Vorschläge der Parteien an einer möglichen Jamaika-Koalition zu Mindestlohn, Arbeitszeit, Digitalisierung und Tarifrecht aufgezeigt. In einem weiteren Teil hatten wir die Ideen der beteiligten Parteien zu Themen wie Befristung, Mitbestimmung und Leiharbeit erläutert.
Insbesondere gestalten sich die laufenden Sondierungsgespräche zum Thema der Regelung der Zuwanderung nach Deutschland, sei es zur Frage der Aufnahme von Flüchtlingen und deren Familienangehörigen (Stichworte: Obergrenze; Familienzusammenführung) oder zu Fragen der Erwerbsmigration (Stichwort: Einführung eines points-based system) als schwierig.
Mögliche Kompromisslösungen einer Jamaika-Koalition
Es liegt bereits nach der (auszugsweisen) Lektüre der Wahlprogramme der gewählten Parteien auf der Hand, dass es außerordentlich schwierig sein würde, einen gemeinsamen Nenner in Fragen der Zuwanderung zu finden. Die von der CDU/CSU bezogene Position lassen sich mit den Forderungen sowohl von Bündnis90/DieGrünen als auch der FDP nicht ohne weiteres in Einklang bringen. Insbesondere die Forderung nach einer teilweisen (FDP) oder völligen (Bündnis90/DieGrünen) Abkehr vom nach Auffassung der CDU/CSU bewährten System der Steuerung der Zuwanderung durch Zuwanderungskategorien sind geradezu diametral. Es ist daher nicht überraschend, dass das Thema der Zuwanderung neben einigen anderen Themen von Anfang an – und dies völlig zu Recht – als einer der schwierigsten Verhandlungsgegenstände eingeordnet worden ist.
Dies ist auch nicht dadurch einfacher geworden, dass sich die Schwesterparteien CDU und CSU Anfang Oktober vertreten durch Ihre Parteivorsitzenden auf einen Kompromiss zur Obergrenze geeinigt haben, was wiederum von den anderen Parteien, die an den Jamaika-Koalitionsverhandlungen teilnehmen, teils heftig kritisiert wurde.
Gleichwohl steht zu erwarten, dass die möglichen Koalitionspartner einer Jamaika-Koalition durch wechselseitige Zugeständnisse in der Lage sein werden, einen für alle drei Parteien tragfähigen Kompromiss auszuarbeiten. der zumindest auch von der (dann) Oppositionspartei SPD mitgetragen werden dürfte – die Linke und die AFD dürften ohnehin jeden Kompromiss ablehnen.
Soweit es um die Erwerbsmigration geht, dürfte sich ein Kompromiss ohne weiteres dadurch erzielen lassen, dass man grundsätzlich an dem bestehenden System der Steuerung der Zuwanderung von Fachkräften anhand von bestimmten Zuwanderungskategorien festhält, die bestehenden Tatbestände aber teils reformiert und vielleicht in Bezug auf bestimmte Personengruppen teils Elemente eines points-based-system mit aufnimmt. Hierbei könnten alle an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Parteien die von Ihnen in ihr Wahlprogramm aufgenommenen Ziele als realisierbar abgebildet ansehen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.
In der Frage der Migration, insbesondere der Familienzusammenführung könnte ein Kompromiss darin liegen, sich nicht auf feste Obergrenzen, sondern auf Richtgrößen zu verständigen und den Zuzug an den Nachweis des schon in Deutschland lebenden Angehörigen binden, für den Lebensunterhalt aufzukommen oder den Zuzug auf bestimmte Herkunftsländer beschränken. Dies setzt allerdings eine weit höhere Kompromissbereitschaft voraus, als zum weit streitigeren Thema der Erwerbsmigration.
Stand der Koalitionsverhandlungen
Zwischenzeitlich haben die Parteien CDU/CSU, Bündnis90/DieGrünen und die FDP Koalitionsverhandlungen bzw. Sondierungsgespräche über das Eingehen einer sog. Jamaika-Koalition aufgenommen. Ausgehend von verschiedenen Themen sind diese Gespräche sinnvollerweise abgeschichtet worden. In Bezug auf das das Thema der Zuwanderung war absehbar, dass die Sondierungsgespräche sich als sehr schwierig erweisen würden. Es ist daher auch nicht überraschend, dass diese zunächst am Abend des 26. Oktober 2017 ergebnislos vertagt worden sind. Ein Abschluss der Gespräche über diese Punkte werde nun für kommende Woche angestrebt, hieß es. Aus Teilnehmerkreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass die Parteichefs in einem separaten Gespräch Lösungswege bei den Themen Flüchtlinge und Zuwanderung finden sollen, die bis zum 2. November vorgestellt werden sollen. Die Präsentation dieser Ergebnisse stehen bislang (Stand: 3. November 2017) aus, so dass davon ausgegnagen werden kann, dass man sich (noch?) nicht hat verständigen können.
Ausblick
Es bleibt nunmehr der weitere Verlauf der Sondierungsgespräche zu den Koalitionsverhandlungen abzuwarten. Sodann würde es vermutlich bereits bei der Umsetzung des Ergebnisses der Koalitionsverhandlungen in einen Koalitionsvertrag genügend Anlass für weitere Diskussionen in Einzelfragen geben. Schließlich müsste noch ein entsprechender Gesetzentwurf ausgearbeitet werden und sodann das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Es dürfte damit klar sein, dass das Ergebnis eines solchen Prozesses kaum prognostizierbar ist. Ob letztlich überhaupt eine umfassende Reform kommt oder lediglich doch nur einige ergänzende Regelungen getroffen werden, bleibt daher abzuwarten.
Aus Sicht des Verfassers ist dies auch gar kein Nachteil, da der derzeit in Kraft befindliche rechtliche Rahmen durchaus gut funktioniert bzw. effizient angewandt gut funktionieren könnte. Die vielfach beklagten Probleme des (immer wieder zumindest behaupteten) Fachkräftemangels haben regelmäßig viele Ursachen, und nur eine mögliche Ursache davon ist die Migrationsgesetzgebung, so dass bereits zweifelhaft ist, ob ein Systemwechsel insoweit überhaupt etwas ändern würde. Auch in den Ländern, in denen points-based-systems eingeführt worden sind, wird über die unzureichenden Möglichkeiten der Anwerbung von Fachkräften sowie die bürokratischen Hürden hinreichend geklagt.
Bitte auch an Effizienz denken!
Viel wichtiger wäre stattdessen, endlich dafür Sorge zu tragen, dass die mit der Antragsbearbeitung befassten Ausländerbehörde sowohl in Deutschland als auch im Ausland sachlich und personell so ausgestattet werden, dass die Verfahren effizienter und vor allen Dingen auch bürgerfreundlicher gestaltet werden können. Von einer Willkommenskultur ist man bei den deutschen Ausländerbehörde im In- und Ausland (dies gilt gleichermaßen für die Ausländerbehörden, Botschaften und Generalkonsulate) im Regelfall – einige positive Ausnahme vermögen die Regel nur bestätigen – leider (meilen-)weit entfernt. Die Anwerbung von Fachkräften scheitert nicht selten schon daran, dass keine rechtzeitigen Termine zur Vorsprache vereinbart werden können, die Verfahren ungebührlich lange andauern (teils bis zu mehreren Monaten) und während des Verfahrens an die Behörden gerichtete Sachstandsanfragen unbeantwortet bleiben und vielmals konsequent ignoriert werden. Bietet sich allerdings die Chance, unter einem formellen Einwand die Zuständigkeit als nicht gegeben zu erachten oder materiell-rechtliche Einwände zu erheben, wird diese zügig ergriffen, ohne eine zu einer Erteilung der Aufenthaltserlaubnis alternative Auslegung auch nur zu prüfen oder von den gebetsmühlenartig angewandten Durchführungsanweisungen vielleicht etwas abzuweichen, wo dies rechtlich durchaus möglich wäre. Dies ist das eigentliche Manko des deutschen Systems, nicht die Migrationsgesetzgebung.

michels.pmks Rechtsanwälte
(Köln)
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