Das Thema
Die ausländerbeschäftigungsrechtliche Abbildung von projektbezogenen Einsätzen von drittstaatsangehörigen Ausländern in Deutschland zählt mit zu den komplexesten Themenstellungen aus diesem Bereich. Denn diese Einsätze, die nur Aufenthalte für einzelne Projektphasen in Deutschland erfordern, treffen auf einen aufenthaltsrechtlichen Rahmen, der für Erlaubnisse zu Arbeitsaufenthalten von einem durchgehenden Zeitraum ausgeht.
Die Hintergründe
Aufenthaltstitel für drittstaatsangehörige Ausländer werden regelmäßig als befristet erteilt; dies gilt sowohl für Schengen-Visa mit ausnahmsweiser Arbeitserlaubnis sowie nationale Visa als auch für Aufenthaltserlaubnisse, Blaue Karten EU sowie (Mobile) ICT-Karten. Hinzu kommt, dass der aufenthaltsrechtliche Rahmen im deutschen Ausländerbeschäftigungsrecht nach wie vor von der Vorstellung einer längerfristigen oder dauerhaften Migration ausgeht.
Handelt es sich um projektbezogene Einsätze für einen ausländischen Arbeitgeber in Deutschland, so werden diese arbeitsrechtlich als Entsendung abgebildet, d.h. auf der Basis des Heimatarbeitsvertrages, welcher je nach Dauer und weiteren Änderungen der Arbeitsbedingungen durch eine konsensuale Entsendungsvereinbarung zu ergänzen ist. Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht erlaubt etwa keine einseitigen Änderungen – wie des Arbeitsorts – für einen langfristigen Zeitraum (ausf. zu diesem Thema Schulz/Stolzenberg, NZA 2019, 1320 ff.; Uznanski/Timmermann/Mävers/Klaus, Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter, Rn. 905).
Bei projektbezogenen Einsätzen kommt es oftmals vor, dass nur einzelne Projektphasen in Deutschland zu absolvieren sind, während die übrigen Teile im Ausland absolviert werden können. Streng genommen müsste für jede Projektphase in Deutschland ein gesonderter Aufenthaltstitel beantragt werden. Unterstellt, dass es sich um Aufenthalte von bis zu 90 Tagen (innerhalb von 180 Tagen) handeln würde, müsste jeweils ein Schengen-Visum mit Arbeitserlaubnis beantragt werden (zu solchen Visa näher Klaus, ZAR 2014, 148 ff.; aus der Rspr. jüngst etwa BVerwG, Urteil vom 27.04.2021 – 1 C 13.19).
Für eine unechte Teilzeitbeschäftigung, d.h. das Absolvieren von einzelnen Projektphasen in Deutschland über einen definierten Gesamtzeitraum, kennt das deutsche Aufenthaltsrecht keine Sonderregelungen.
Bisher war vorsorglich zu beraten, dass für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu einem Aufenthaltstitel die Vergleichbarkeit der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen über den Gesamtzeitraum bei projektbezogenen Einsätzen sicherzustellen war; dabei sind ausländerbeschäftigungsrechtlich nicht nur die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 AEntG zu wahren, was sich sehr gut an der erforderlichen Entlohnung zeigen lässt. Maßstab für die Wahrung der Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AEntG ist insbesondere das MiLoG. Aufenthaltsrechtlich bildet dieses in der sog. Vergleichbarkeitsprüfung nur eine Mindestvoraussetzung. Zusätzlich muss die Entlohnung immer mit dem einer inländischen Referenzperson vergleichbar sein (vgl. Uznanski/Timmermann/Mävers/Klaus, Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter, Rn. 467 ff.).
Denn nur so hätte die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung über den gesamten Zeitraum erteilen können, da die Vergleichbarkeit der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sich gemäß § 39 Abs. 1 iVm Abs. 3 Nr. 1 AufenthG auf die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, nicht auf die Aufenthaltszeiten in Deutschland bezieht.
Dadurch ergab sich ein Spannungsverhältnis zu § 2 Abs. 1 AEntG, wonach die dortigen Vorgaben für die Vergleichbarkeit von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen während Entsendungen – nach dem Territorialitätsprinzip – nur für eine Beschäftigung auf deutschem Staatsgebiet gelten konnten.
Die Neuerungen
In ihren zu Anfang August 2021 veröffentlichten Fachlichen Weisungen zum AufenthG und zur BeschV („FW-AufenthG/BeschV 2021“) greift die Bundesagentur für Arbeit diese Situation nun anlässlich der Ausführungen zu § 26 Abs. 1 BeschV auf:
„In Fällen geplanter, sich wiederholender Kurzaufenthalte in Deutschland von bis zu 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen (Schengen-Visum; etwa bei Berufskraftfahrern) kann eine einzige Zustimmung nach § 26 Abs. 1 BeschV für die gesamte Dauer der Aufenthalte erteilt werden, wenn die Beschäftigungsbedingungen für alle Kurzaufenthalte gleichbleiben. Die Zustimmung bezieht sich nur auf die jeweiligen Beschäftigungszeiten in Deutschland; die Beschäftigungsbedingungen für Tätigkeiten im Ausland sind für die Zustimmung unbeachtlich.“
Diese Wertung wird man auch auf längere Aufenthalte anlässlich eines Projekts übertragen können, welches beispielsweise ein Jahr insgesamt dauern und je Monat etwa eine Anwesenheit von einer Woche oder zwei Wochen im Bundesgebiet auslösen würde. In einem solchem Fall dürfte ein nationales Visum in Betracht kommen (Art. 18 Abs. 2 SDÜ, § 6 Abs. 3 AufenthG; vgl. dazu Klaus, InfAuslR 2017, 93 ff.), wobei für eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit in Anlehnung an die neuen FW-AufenthG/BeschV 2021 nur noch die Vergleichbarkeit der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen während des Aufenthalts in Deutschland nachzuweisen wäre.
Auswirkungen in der Praxis
Die neuen FW-AufenthG/BeschV 2021 der Bundesagentur für Arbeit sind ein wichtiger Schritt, um Flexibilität in der Ausländerbeschäftigung von Drittstaatsangehörigen mit arbeitsrechtlichen Grundsätzen zusammenzuführen.
Gleichwohl ist Folgendes zu bedenken: Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nur ein Element – oder formalistisch betrachtet in der Regel tatbestandliche Voraussetzung (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) – für einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Beschäftigung. Allerdings existieren noch weitere aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen, die ebenso von der Vorstellung einer langfristigen Migration nach Deutschland geprägt sind. Dazu zählt vor allem der ausreichende Krankenversicherungsschutz entsprechend den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG bzw. bei Schengen-Visa entsprechend den Anforderungen von Art. 15 Abs. 1 bis 3 Visakodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009). In der Verwaltungspraxis wird die letztgenannte Voraussetzung auch entsprechend auf nationale Visa als Mindestvoraussetzung angewendet.
Noch nicht ersichtlich ist, ob Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden beim Krankenversicherungsschutz nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG ähnlich verfahren und keinen durchgängigen Versicherungsschutz fordern werden. Eine sinnvolle Lösung wäre, wenn derartige nationale Visa stets über die Gesamtdauer des Projekts gegen Nachweis eines Reisekrankenversicherungsschutzes i.S.d. Art. 15 Abs. 1 bis 3 Visakodex ausgestellt würden. Nationale Visa können maximal für einen Zeitraum von einem Jahr ausgestellt werden (Art. 18 Abs. 2 SDÜ). Eine Aufenthaltserlaubnis oder ein sonstiger befristeter Aufenthaltstitel dürften nur in Betracht kommen, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Ausländers im Inland liegt (Faustregel: mehr als 50 Prozent der kalendarischen Zeit müssten dafür in Deutschland verbracht bzw. voraussichtlich verbracht werden).
Sollte im Einzelfall ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland eintreten, dürften sich viele Ausländerbehörden sperren, eine Reisekrankenversicherung als ausreichenden Krankenversicherungschutz i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG anzusehen, so dass eine Reduzierung der Anwesenheitszeiten in Deutschland auf ein Maß sinnvoll sein kann, welches immer noch über nationale Visa abgedeckt werden könnte.