Das Thema
Leider hat uns Corona auch zum Ende des Jahres 2021 wieder voll im Griff. Daher stellt sich besonders in diesem Jahr in der Vorweihnachtszeit wieder die Frage, ob Sonderzahlungen angesichts schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse gestrichen bzw. einbehalten werden können.
Sonderzahlungen streichen: Regelung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag notwendig
Sonderzahlungen, wie das 13. Monatsgehalt oder das Weihnachtsgeld können nur unter engen Voraussetzungen gestrichen werden. Die Zahlung kann nur einbehalten werden, wenn dies in der zugrundeliegenden Regelung (z.B. Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag) angelegt ist. Doch Vorsicht, gerade Freiwilligkeitsvorbehalte und Widerrufsvorbehalte in Arbeitsverträgen sind häufig unwirksam.
Eine einseitige Abweichung von vertraglich geregelten Ansprüchen ist im Übrigen nur in wirtschaftlichen Ausnahmesituationen möglich, in denen die Existenz des Unternehmens oder des Arbeitsverhältnisses bedroht ist.
Bereits letztes Jahr haben wir dieses Thema und vor allem die Gestaltung wirksamer Widerrufsvorbehalte ebenfalls im #EFAR ausführlich erläutern dürfen: Corona-Krise: Vorsicht bei der Streichung von Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt und Co. – Expertenforum Arbeitsrecht (#EFAR) (efarbeitsrecht.net).
Arbeitgeber erbringt Leistung ohne arbeitsvertragliche Grundlage: Die betriebliche Übung
Selbst wenn der Arbeitgeber die Leistung ohne arbeitsvertragliche Grundlage (freiwillig) erbringt, kann er nach den Grundsätzen der „betrieblichen Übung“ dazu verpflichtet sein, die Leistung auch zukünftig zu erbringen.
Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber an die Belegschaft oder an Teile davon eine Leistung in gleichförmiger Weise mindestens dreimal erbracht hat, ohne sich dabei die Freiwilligkeit (ausdrücklich) vorzubehalten. Diese gleichförmigen Leistung stellt ein Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages dar, welches der Arbeitnehmer stillschweigend durch Entgegennahme der Leistung annimmt.
Die betriebliche Übung kann dadurch verhindert werden, dass bei jeder Zahlung die Freiwilligkeit der Leistung ausdrücklich vorbehalten wird. Eine weitere Möglichkeit besteht in der sog. doppelten Schriftformklausel im Arbeitsvertrag, also einer Klausel, welche die Schriftform vorschreibt und selbst auch nur schriftlich abgeändert werden kann.
Aber Vorsicht, auch diese muss exakt formuliert sein um ihre Wirkung zu entfalten. Insbesondere muss beachtet werden, dass die Klausel nicht auch mündliche Individualabsprachen im Sinne von § 305b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfasst.
Die betriebliche Übung kann daneben durch einen Änderungsvertrag oder eine Änderungskündigung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer beendet werden. Ebenso ist eine ablösende Betriebsvereinbarung möglich.
Ergebnis: Reduzierung oder Streichung von Sonderzuwendungen gestaltet sich schwierig
Sonderzuwendungen können kaum einseitig reduziert oder gar vollständig gestrichen werden. Nur wenn die Regelung selbst bereits eine Reduzierungsmöglichkeit enthält, kommt eine Anpassung in Betracht.
Wurde die Sonderzuwendung jedoch vorbehaltlos ausgestaltet oder – wie so oft – mit unwirksamen Vorbehalten versehen, ist es grundsätzlich nicht möglich, die Sonderzuwendung zu kürzen oder einzubehalten.
Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn ein sog. Sanierungsfall vorliegt und ohne die Reduzierung der Sonderzuwendung ein (massiver) Stellenabbau bzw. eine Schließung unvermeidlich wäre. Daneben besteht ein möglicher Ausweg nur in der ablösenden Betriebsvereinbarung mit Unterstützung des Betriebsrats.
Zur Vertiefung: Corona-Krise: Vorsicht bei der Streichung von Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt und Co. – Expertenforum Arbeitsrecht (#EFAR) (efarbeitsrecht.net).