Das Thema
Die Fallzahlen von COVID-19 (nachfolgend auch „SARS-CoV-2“ oder „Corona-Virus“) -Erkrankungen steigen leider seit August wieder. Vermehrt wird bereits von einer „zweiten Welle“ gesprochen. Die Arbeitswelt musste sich kurzfristig auf die Pandemie und die öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus einstellen.
Daher erneut ein Update zu den Handlungspflichten des Arbeitgebers im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und zur Frage der Einbindung des Betriebsrates. Ferner beschäftigen Einzelfragen (Maskenpflicht am Arbeitsplatz, Umgang mit Reiserückkehrern u.a. ) die betriebliche Praxis und bedürfen weiter der Diskussion.
Ein Überblick zu den Schutzpflichten des Arbeitgebers im Betrieb
Den Arbeitgeber trifft gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht. Er hat bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Ausgestaltung seiner Dienstleistungen dafür zu sorgen, dass diese so strukturiert sind, dass Arbeitnehmer derart gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt sind, wie es die Natur der Arbeitsleistung gestattet (§ 618 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber ist gem. § 3 Abs. 1 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Den Arbeitgeber ist in diesem Rahmen zur fortlaufenden Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet; infolgedessen trifft ihn die Pflicht, auf neue Risiken zu reagieren – wie nun etwa auf das Corona-Virus.
Wie der BGH bereits vor über 40 Jahren entschieden hat, ist der Arbeitgeber schon grundsätzlich verpflichtet, den Betrieb von Ansteckungsgefahren freizuhalten (BGH, Urt. v. 30.11.1978 – III AZR 43/77). Er muss von sich aus gegen die Beschäftigung von Ausscheidern, Ausscheidungsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) einschreiten.
Pflichtverletzungen: Die Folgen für Arbeitgeber
Bei einer Verletzung dieser Pflichten kommt dem Grunde nach auch eine Haftung des Arbeitgebers in Betracht: Bei einer Klage auf Schadensersatz hat der Arbeitnehmer lediglich einen objektiv ordnungswidrigen Zustand und den entstandenen Schaden darzulegen und zu beweisen. Der Zustand muss geeignet – also nicht einmal ursächlich – gewesen sein, den eingetretenen Schaden herbeizuführen. Zur Vermeidung eines Schadensersatzanspruchs muss der Arbeitgeber dann darlegen und beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft oder dass der ordnungswidrige Zustand eben nicht ursächlich für den Schadenseintritt war. Dieser Nachweis erfordert im Wesentlichen eine Dokumentation der durchgeführten Schutzmaßnahmen.
Bei der Prüfung, welche Maßnahmen erforderlich sind, sind der Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Auch branchenspezifische Leitlinien, Empfehlungen und Standards der Berufsgenossenschaften enthalten weitere Vorgaben.
Spezielle Vorgaben im Arbeits- und Gesundheitsschutz infolge der Corona-Lage
Welche Maßnahmen ein Arbeitgeber in Bezug auf COVID-19 zu treffen hat, hängt von seinem konkreten Betrieb ab. Eine (erste) Orientierungshilfe bieten die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), die im April 2020 herausgegeben wurden, sowie die Konkretisierungen der jeweiligen gesetzlichen Unfallversicherungen. Danach sind insbesondere jene Vorsichtsmaßnahmen im Betrieb zu treffen, die man aus dem öffentlichen Bereich kennt, also:
- Platz lassen, wo Platz ist;
- Platz schaffen, wo durch „Tische rücken“ mehr Platz möglich ist;
- transparente Abtrennungen aufstellen, wo es räumlich eng ist;
- Arbeitszeit entzerren, wo die Abläufe nicht anderes erfordern;
- Desinfektionsmittel gut sichtbar bereitstellen.
Mit Blick auf die Schutzpflichten ist es ratsam, sich mit weiteren denkbaren Maßnahmen auseinanderzusetzen. Solche Maßnahmen können sein:
- Aktivierung eines Notfall-Pandemieplans;
- Information der Mitarbeiter;
- Erlass von Hygiene und Verhaltensvorschriften;
- Bereitstellung von Schutzausrüstung
- Hinweis auf Melde- und Offenlegungspflichten;
- medizinische Maßnahmen, z.B. betriebsärztliche Untersuchungen;
- Freistellung erkrankter Beschäftigter;
- zeitweise Versetzung gesundheitlich besonders gefährdeter Mitarbeiter auf weniger gefährdete Arbeitsplätze;
- Änderung der Arbeitsorganisation unter Aufrechterhaltung des Minimalbetriebs;
- Schließung betrieblicher Einrichtungen.
Arbeitsschutzregel des BMAS: Weitere Konkretisierung und Handlungsempfehlungen
Das BMAS hat Anfang August 2020 eine SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel der Arbeitsschutzausschüsse (Stand: 10. August 2020) bekanntgegeben. Sie ist mit Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt (GmBl) am 20. August 2020 in Kraft getreten.
Diese konkretisiert umfassend die Anforderungen an den Arbeitsschutz im Hinblick auf die Pandemie für den gem. § 5 IfSG festgestellten Zeitraum. Im Detail enthält das Regelwerk Konkretisierungen der Anforderungen der Verordnungen nach dem ArbSchG. Bei Einhalten dieser Konkretisierungen kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Anforderungen aus den Verordnungen erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber andere Lösungen, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.
De facto werden die 17 Punkte des Arbeitsschutzstandards aus April 2020 auf Grundlage des Stands der Technik, Arbeitsmedizin, Hygiene und sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie des staatlichen Regelwerks konkretisiert. Das Regelwerk bestimmt dabei – wie das Arbeitsschutzgesetz in § 4 – eine Rangfolge von Schutzmaßnahmen: technische gehen organisatorischen und diese wiederum personenbezogenen Maßnahmen vor. Sie sollen sachgerecht miteinander verknüpft werden.
Der Arbeitgeber hat vor allem Maßnahmen zu ergreifen, die die Anzahl ungeschützter Kontakte zwischen Personen sowie die Konzentration an luftgetragenen Viren in der Arbeitsumgebung so weit wie möglich verringern.
Im Anschluss formuliert das Werk ausführlich, wie diese Schritte konkret in bestimmten Räumen, bei der Arbeits- und Pausengestaltung, bei Nutzung von Arbeitsmitteln bzw. Werkzeugen und der betrieblichen Kommunikation umgesetzt werden können; ferner werden Maßnahmen zur besseren Lüftung aufgezählt. Sofern betriebliche Bedürfnisse der Einhaltung der Maßnahmen entgegenstehen, werden Alternativen genannt – bei einer unmöglichen Reduzierung der Nähe zwischen Arbeitnehmern ist dies insbesondere die Nutzung einer Mund-Nase-Bedeckung. Hinsichtlich der Möglichkeit zum Home Office geht die Arbeitsschutzregel nicht über die bekannte Richtschnur hinaus. Zuletzt enthält das Werk Hinweise zur arbeitsmedizinischen Vorsorge.
Gesundheitsschutz in der Corona-Lage: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
In Fragen des Gesundheitsschutzes besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Mitbestimmte Bereiche sind beispielsweise auch betriebliche Regelungen zur raschen Aufklärung von Verdachtsfällen auf eine COVID-19-Erkrankung, die der Arbeitsschutzstandard des BMAS aus April 2020 unter Ziffer 13 vorsieht. (Anm. der Redaktion: Weiterführende Hinweise zu “Coronavirus und Mitbestimmung”)
Ein derartiger betrieblicher Pandemieplan sollte Vorschriften enthalten, um bei bestätigten Infektion jene Personen zu ermitteln und zu informieren, bei denen durch Kontakt mit der infizierten Person ebenfalls ein Infektionsrisiko besteht.
In einer der ersten Entscheidungen zur Pandemie befasste sich das ArbG Wesel mit der Erfassung, Verarbeitung und Übermittlung von Bildern und Videos zum Zweck der Abstandsmessung und –überwachung und bejahte einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates, wenn die Mitbestimmungsrechte nicht beachtet wurden (Beschl. v. 24.4.2020 – 2 BVGa 4/20) (Anm. d. Redaktion: “wie weit darf der Arbeitgeber gehen?”).
Home Office – Anspruch und Weisungsrecht?
Eine elegante Möglichkeit, Arbeitnehmer in Zeiten von Pandemien weiterzubeschäftigen, ohne sie einem signifikanten Infektionsrisiko auszusetzen, liegt in der Vereinbarung von Home Office – dahingehend auch die Empfehlung des Arbeitsschutzstandards des BMAS unter der dortigen Ziffer 6. Insofern kam schnell die Frage in der Praxis auf, inwiefern der Arbeitgeber zur Tätigkeit im Home Office “zwingen” kann.
Ein Gesetz, das ein entsprechendes Arbeitgeberrecht zur einseitigen Anordnung regelt, existiert indes bis heute ebenso wenig wie eines, das einen Anspruch auf Home Office für den Arbeitnehmer vorsieht (im Kontext der Pandemie jüngst bestätigt durch ArbG Augsburg, Urt. v. 7.5.2020 – 3 Ga 9/20). Die rechtssicherste und klarste Variante ist deshalb, wenn bereits eine ausdrückliche Regelung zur Einrichtung von Home Office im Arbeits- bzw. Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung besteht. Erlaubt eine dortige Regelung die Anordnung von Home Office, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig dorthin verweisen.
Im Einzelfall kann es sogar die Pflicht des Arbeitgebers nach § 618 BGB sein, Arbeitnehmer ins Home Office zu schicken bzw. es ihnen zu gewähren. Aus dem Schutzgedanken oder wenn droht, dass der Betrieb anderenfalls nicht aufrechterhalten werden kann, kann der Arbeitnehmer im Einzelfall infolge seiner aus § 241 Abs. 2 BGB resultierenden Rücksichtnahmepflicht verpflichtet sein, die einseitige Anordnung des Arbeitgebers zur Ableistung seiner Arbeit im Home Office hinzunehmen. Auf der anderen Seite können die Gegebenheiten beim Arbeitnehmer – z.B. bei beengten Verhältnissen oder fehlenden technischen Voraussetzungen – zu einer Unzumutbarkeit der Anordnung von Home Office führen.
Unmittelbare Folgen für den Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers
Diese Differenzierung hat entsprechende Folgen beim Gehaltsanspruch: Ist die Arbeit im Home Office nicht möglich oder unzumutbar und beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht im Betrieb, obwohl der Arbeitnehmer dies anbietet, behält der Arbeitnehmer grundsätzlich seinen Gehaltsanspruch.
Der Arbeitgeber trägt das sog. Annahmeverzugs- bzw. Betriebsrisiko (§ 615 Satz 1 und 3 BGB). Arbeitet der Arbeitnehmer in dieser Zeit aber woanders oder unterlässt eine zumutbare andere Tätigkeit, kann eine Anrechnung erfolgen (§ 615 Satz 2 BGB). Lehnt der Arbeitnehmer die berechtigte Anordnung der Ableistung der Arbeit im Home Office ab, obwohl ihm dies zumutbar ist, verliert er seinen Gehaltsanspruch. Dies gilt auch, obwohl der Arbeitgeber eigentlich das Betriebsrisiko und das Annahmeverzugsrisiko trägt, denn der Arbeitnehmer muss sich das anrechnen lassen, was er in dieser Zeit zu erwerben böswillig unterlässt (§ 615 Satz 2 BGB) – dies ist eben der Verdienst für die (zumutbare) Arbeit im Home Office.
Arbeits- und Gesundheitsschutz im Home Office
Die Ableistung der Arbeit im Home Office entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner Verantwortung zur Sicherstellung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, wie die Autorin bereits ausführlich dargestellt hat. Der Arbeitsplatz im Home Office stellt grundsätzlich genauso einen Arbeitsplatz wie der im Betrieb dar.
Damit trifft den Arbeitgeber auch diesbzgl. die Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und Maßnahmen zu ergreifen (§§ 3 ff. ArbSchG). Aufgrund der Unverletzlichkeit der Wohnung gewinnen hier aber Informationspflichten des Arbeitgebers eine besondere Bedeutung.
Infizierung am Arbeitsplatz: Eintritt der gesetzlichen Unfallversicherung?
Steckt sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz mit dem Corona-Virus an, stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Unfallversicherung für eventuelle Behandlungskosten etc. einzustehen hat.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) lehnt eine Einstandspflicht für Personenschäden – außerhalb gefahrgeneigter Betriebe wie Krankenhäuser und Labore – bei COVID-19-Erkrankungen grundsätzlich mit der Begründung ab, dass es sich um eine Allgemeingefahr und kein arbeitsplatzspezifisches Risiko handele. Eine gerichtliche Klärung der Einstandspflicht in „Normalbetrieben“ ist noch nicht erfolgt. Es spricht aber viel dafür, dass die gesetzliche Unfallversicherung im Regelfall keine Einstandspflicht trifft.
Voraussetzung der Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung ist nämlich, dass ein Versicherungsfall i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB VII vorliegt – also ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) oder eine Berufskrankheit (§ 9 SGB VII). In jedem Fall braucht es einen sachlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Versicherungsfall. Berufskrankheiten sind nur solche, die durch Rechtsverordnung als solche eingestuft sind. Diese Bezeichnung wird nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nur vorgenommen, wenn die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Außerhalb der Bereiche, in denen ein Kontakt mit Infizierten unvermeidlich ist, ist ein entsprechender sachlicher Zusammenhang eher abwegig. Eine Einstufung als Arbeitsunfall würde voraussetzen, dass ausgeschlossen werden kann oder es zumindest sehr unwahrscheinlich ist, dass die Ansteckung in privatem Umfeld erfolgt ist. Der Arbeitnehmer müsste zudem intensiveren und längeren Kontakt zu einem Infizierten gehabt haben. Nur wenn dies der Fall war, kann ausnahmsweise ein Arbeitsunfall und damit Versicherungsfall angenommen werden. Die gesetzliche Unfallversicherung würde dann die Haftung für Folgeschäden übernehmen. Im Fall grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz auf Arbeitgeberseite – also bei nach diesen Maßstäben vorwerfbar nicht ausreichenden Schutzmaßnahmen – droht ein Regress seitens des Unfallversicherers gegenüber dem Arbeitgeber.
Liegt kein Versicherungsfall vor, ist die Haftungsprivilegierung des § 104 SGB VII nicht anwendbar. Der Arbeitgeber haftet dann für jede vorwerfbar – also fahrlässig oder vorsätzlich – verursachte Infektion selbst. Dadurch rücken die Schutzmaßnahmen, die der Arbeitgeber ergreift, unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten in den Vordergrund.
Umgang mit Risikogruppen im Betrieb
Ein spezieller Punkt, auch in den Regelwerken des BMAS, betrifft den Umgang mit Arbeitnehmern, die einer besonderen Risikogruppen bei einer Covid-19-Erkrankung unterliegen. Hierzu gehören im Allgemeinen Raucher, ältere Personen, stark adipöse Menschen oder Arbeitnehmer mit bestimmten Vorerkrankungen wie:
- solchen im Herz-Kreislauf-System;
- chronischen Lungen- oder Lebererkrankungen;
- Krebserkrankungen;
- Diabetes;
- einem geschwächten Immunsystem.
Bei Arbeitsschutzmaßnahmen sind spezielle Gefahren für Risikogruppen im Betrieb zu berücksichtigen. Zwar muss vorrangig ein einheitliches Schutzniveau angestrebt werden. Eine besondere Behandlung ist jedoch dann angezeigt, wenn es unverhältnismäßig wäre, Maßnahmen, die zum Schutz einer Risikogruppe nötig sind, auf alle Arbeitnehmer anzuwenden. Problematisch ist dabei, dass der Arbeitgeber an sich kein Fragerecht bzgl. Vorerkrankungen oder etwa dem Zigarettenkonsum hat; es bedarf insofern der freiwilligen Mitwirkung der Betroffenen.
Gemäß des Arbeitsschutzstandards des BMAS soll dem vorgebeugt werden, indem Risikogruppenarbeitnehmern eine Beratung durch den Betriebsarzt ermöglicht oder angeboten wird.
Unzureichender Arbeits- und Gesundheitsschutz: Kann der Arbeitnehmer die Arbeit verweigern?
Der Arbeitgeber muss ermessensfehlerfreie Entscheidung über Arbeitsschutzmaßnahmen treffen. Geschieht dies nicht, kann der Arbeitnehmer nach § 618 i.V.m. § 273 Abs. 1 BGB die Erbringung der Arbeitsleistung verweigern. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des Arbeitslohns bleibt dabei gem. § 615 Satz 1 BGB bestehen; der Arbeitgeber kommt mit Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, weil er einen sicheren Arbeitsplatz gewährleisten muss.
Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen der Behörden oder bei Verstößen gegen Rechtsverordnungen drohen Bußgelder und im Fall beharrlicher Wiederholungen oder bei Lebens- oder Gesundheitsgefährdungen durch vorsätzliches Handeln auch Freiheits- oder Geldstrafen (§§ 25, 26 ArbSchG).
Umgang mit Verdachtsfällen im Betrieb
Der Arbeitgeber muss die Belegschaft vor Gesundheitsgefährdungen auch durch andere Arbeitnehmer schützen. Er hat einen Pandemieplan aufzustellen, anhand dessen Arbeitnehmer mit Krankheitssymptomen aufgefordert werden, nicht zur Arbeit zu erscheinen bzw. diese zu verlassen. Die Einrichtung eines funktionierenden Melde- und Kontrollsystems ist notwendig.
Die Arbeitnehmer sind gem. § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 15, 16 ArbSchG zur Kooperation beim Arbeitsschutz verpflichtet. Sie müssen demnach die angeordneten Schutzmaßnahmen mittragen; bei Verstößen sind arbeitsrechtliche Sanktionen möglich. Gem. § 16 Abs. 1 ArbSchG unterliegen Arbeitnehmer zudem einer Meldepflicht bei einer Infektion oder dem Verdacht einer solchen. Darüber hinaus besteht eine Auskunftspflicht bei Kontakt mit Infizierten oder bei kürzlichen Aufenthalten in Risikogebieten. Daneben bestehen Mitwirkungspflichten, vor allem hinsichtlich der Beibringung ärztlicher Atteste, bzgl. einer betriebsärztlichen Untersuchung bei Infektionsverdacht und für eine Gesundheitskontrolle wegen eigener Symptome.
Rund um die Maskenpflicht am Arbeitsplatz
Schon der BMAS-Arbeitsstandard wies in Ziffer 15 an, dass der Arbeitgeber bei unvermeidbarem Kontakt zwischen Arbeitnehmern Schutzmasken bzw. Mund-Nase-Bedeckungen zur Verfügung stellen soll und diese von den Arbeitnehmern getragen werden sollen. Konkretisierende Regelungen finden sich nun zudem in 4.2.13 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Lassen sich Kontakte hingegen vermeiden, z.B. durch die Nutzung von Einzelbüros – zur Erinnerung: organisatorische Maßnahmen gehen vor! – müssen keine Masken getragen und auch nicht bereitgestellt werden.
Sofern organisatorische und technische Maßnahmen – ggf. auch nur in bestimmten Bereichen – nicht möglich sind, muss der Arbeitgeber aber Masken ausgeben, wobei er die Kosten nicht auf die Belegschaft umwälzen darf. Für Risikogruppen sind ferner besonders sichere Masken angezeigt (siehe oben). Eine Pflicht der Arbeitnehmer zur tatsächlichen Nutzung der Masken ergibt sich aus der Pflicht, die arbeitsschutzrechtlichen Maßgaben zu befolgen.
Problematisch ist der Umgang mit Mitarbeitern, die sich dem verweigern, ggfs. auch in öffentlichen Bereichen außerhalb des Arbeitsplatzes, an denen die Maskennutzung jedoch rechtlich vorgeschrieben ist. Besteht aus arbeitsschutzrechtlichen Aspekten gegenüber anderen Arbeitnehmern eine Maskenpflicht im Betrieb und kommt der Mitarbeiter der Aufforderung zum Tragen nicht nach, darf der Arbeitgeber den Betroffenen grundsätzlich nicht weiter arbeiten lassen, um seine Schutzpflichten gegenüber den anderen Arbeitnehmern nicht zu verletzen. Dabei kann dem Betroffenen der Zutritt zum Betrieb untersagt werden. Hat er damit die Nichterbringung seiner Arbeitsleistung selbst verschuldet, verliert er auch seinen Lohnanspruch. In Extremfällen kommen auch arbeitsrechtliche Sanktionen in Betracht. Da Arbeitgebern generell die Sicherstellung der Gesundheit ihrer Arbeitnehmer obliegt, können diese ihre Mitarbeiter ferner zumindest darauf hinweisen, im öffentlichen Nahverkehr, beim Einkaufen usw. eine Maske zu tragen.
Anordnung der Installation einer Corona-Warn-App?
In der Praxis breit diskutiert wurde die Frage, ob die Nutzung der Corona-Warn-App der Bundesregierung verpflichtend für Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber angeordnet werden kann. Zwar kann dies für das Diensthandy – unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates – angenommen werden, aber auch nur für die Dauer der Arbeitszeit. Die Bitte um Nutzung auch im privaten Bereich bleibt natürlich möglich.
Infektionen innerhalb des Hausstandes des Arbeitnehmers
Sofern Beschäftigte nicht selbst einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, wenn sie sich infizieren, wohl aber jemand in ihrem Hausstand, kann es im Einzelfall für den Arbeitnehmer unzumutbar i.S.d. § 275 Abs. 3 BGB sein, zur Arbeit zu erscheinen.
Da der Hausstand jedoch nicht zur Risikosphäre des Arbeitgebers gehört, verliert der Arbeitnehmer dann aber seinen Lohnanspruch.
Urlaub in der Corona-Lage: Umgang mit Reiserückkehrern
Die Informationspflichten des Arbeitnehmers zur Einhaltung des Arbeitsschutzniveaus aus §§ 15 und 16 ArbSchG dürften auch die Pflicht erfassen, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass er sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat und ob ein negativer Corona-Test vorliegt.